Arbeitswelt

Scrum, aber echt: Wie die Haufe Group Agilität lebt

15.5.2025
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Story

In manchen Unternehmen werden agile Methoden eingeführt wie eine neue Software: Training, Rollout, Rollendefinition. Bei uns war das anders. Als 2009 ein kleines Team damit anfing, den bisherigen Plan über Bord zu werfen und in kurzen Zyklen zu arbeiten, war das weniger Methode als Haltung. Heute ist Scrum bei uns Alltag, aber keineswegs alltäglich. Unsere Scrum Master moderieren nicht nur Meetings, sondern gestalten Prozesse, organisieren Austausch, bauen Brücken zwischen Fachbereichen – und sorgen dafür, dass Teams handlungsfähig bleiben. Anlässlich des Agile Coach Camps Cologne 2025, das wir als Hauptsponsor unterstützen, haben wir mit vier Kolleg:innen über ihre Arbeit gesprochen.

„Niemand hat uns damals gesagt: Ihr macht jetzt Scrum“, erinnert sich Ralf Tauscher. Er ist Agile Coach der Haufe Group und dafür da, Scrum Master in der gesamten Haufe Group zu begleiten, Austauschformate zu moderieren und Impulse in die Community einzubringen. Gleichzeitig ist er jemand, der bewusst nah dranbleibt: „Ich will nicht nur reinhüpfen, beraten und wieder verschwinden – ich will Teil des Prozesses sein.“ Deshalb war und ist Ralf immer wieder direkt in Teams aktiv, beobachtet, begleitet und bringt sich ein.

Ralf begleitet und vernetzt Scrum Master auf Haufe Group-Ebene.

Vor mehr als 15 Jahren war er einer der ersten innerhalb der Unternehmensgruppe, der Scrum anwandte und den Stein ins Rollen brachte. Als Verantwortlicher eines Softwareprojekts, damals noch in der Probezeit, überzeugte er seine Vorgesetzten, von dem festgelegten Projektplan abzuweichen. Stattdessen wollte er die Entwicklung des Produkts ganz anders angehen – mit einer in Deutschland damals noch kaum bekannten agilen Methode: Scrum.

„Zusammen mit ein paar Kollegen haben wir ein kleines Team zusammengestellt, uns die Rollen Product Owner, Scrum Master und Entwickler gegeben, ein Büro besetzt – und einfach losgelegt“, erzählt Ralf. „Mit viel Eigeninitiative und der Überzeugung, dass Scrum es allen einfacher machen wird. Und es hat funktioniert.“

Warum? „Weil wir in der Haufe Group komplexe Produkte in einer komplexen Welt, unter sich immer wieder ändernden Bedingungen erschaffen. Wenn wir uns starr an Pläne halten, können wir nicht mehr so schnell und auch nicht mehr so kundenzentriert reagieren. Scrum fördert und fordert genau das“, fasst Ralf zusammen. Durch Scrum – und andere agile Methoden – wurde es damals möglich, in kurzen Zyklen funktionsfähige Teil-Ergebnisse zu erzielen, Feedback einzuholen und schnell im Projekt zu adaptieren.

„Teams haben einfach Scrum angewandt, ohne groß zu überlegen.“

Und das sprach sich herum in der Haufe Group. Andere Teams wurden neugierig, wollten Scrum auch ausprobieren. Eine Art Graswurzelbewegung entstand. „Teams haben einfach Scrum angewandt, ohne groß zu überlegen“, erzählt Ralf. „Aus Projektplänen wurden Sprints.“ Natürlich gab es damals auch Widerstand. Dass Scrum auf eine andere Art mit Unsicherheit umgeht, sei oft erklärungsbedürftig gewesen – und sei es bis heute.

Dennoch wurde schon bald innerhalb unserer Marke Lexware eine bereichsübergreifende Initiative gestartet, um projektbasierte Strukturen durch agile zu ersetzen. Parallel entstand der Bereich Lexware Office, der von Beginn an agil arbeitete. Heute zählen wir mehr als 45 Scrum Master und knapp zehn Agile Coaches, verteilt auf all unsere Marken und zehn Standorte der Haufe Group.

Tamara Eßlinger, Scrum Master unserer Marke Haufe Akademie, formuliert es so: „Wir bewegen uns alle im gleichen Rahmenwerk – aber jede:r lebt es ein bisschen anders.“ Sie arbeitet seit fünf Jahren in ihrer Rolle. Mit agilen Methoden kam sie bei ihrem vorangegangenen Arbeitgeber in Berührung und wollte sich konkret in diese Richtung weiterentwickeln. Sie bewarb sich auf eine Stelle bei der Haufe Group – ohne Zertifizierung oder konkrete Berufserfahrung als Scrum Master. „Das Bewerbungsgespräch lief super, es hat gleich gematcht mit dem Team. Ich bin heute noch dankbar für diesen Vertrauensvorschuss.“

„Ich habe einen Blumenstrauß an Rollen – je nachdem, was meine Umgebung braucht“

Ihre ersten Monate waren gezeichnet durch die Corona-Pandemie. „Als Scrum Master war das eine extrem spannende Zeit. Denn gerade wir hatten eine Schlüsselfunktion, indem wir dafür gesorgt haben, dass das Team netzwerkt, zusammen gut arbeiten kann und Prozesse funktionieren.“ Geholfen habe, andere Scrum Master innerhalb der Haufe Group zu begleiten. „Durch dieses Shadowing habe ich viele Menschen kennengelernt, die alle ihren Job richtig gemacht haben – und doch immer anders. Das hat mir sehr geholfen, meine Rolle selbst zu definieren und mich zu entwickeln.“

Mittlerweile hat sie mehrere Zertifikate abgeschlossen, viel Erfahrung gesammelt und betreut ein Team innerhalb des Bereichs der Haufe Akademie, der alle Softwarelösungen für das Weiterbildungsgeschäft bereitstellt. Sie beginnt ihren Arbeitstag immer mit einem Daily, aber danach verläuft jeder Tag anders. „Ich habe einen Blumenstrauß an Rollen und ich ziehe mir von Situation zu Situation heraus, was meine Umgebung gerade braucht: Moderatorin, Coach, Vermittlerin, Problembegleiterin.“

Tamara wurde in der Haufe Group zum Scrum Master ausgebildet.

Scrum gebe ihr und ihrem Team Struktur – aber keinen Zwang. „Die Events sind wichtige Haltestellen, um gemeinsam festzuhalten, an was wir arbeiten wollen und wie uns das am besten gelingt. Während des Sprints brauchen wir zwischen den Events deshalb wenig zusätzliche Rücksprachen und können eigenständig und fokussiert unsere jeweiligen Themen vorantreiben.“ Dass ihr Team so eigenverantwortlich arbeiten kann, liegt für Tamara auch daran, dass ihre Führungskräfte hinter der Methode stehen. Regelmäßig halte sie Rücksprache, könne sich Beratung holen und auch selbst eine Führungsrolle für ihr Team einnehmen.

Dennoch stoße Scrum für Tamara manchmal an seine Grenzen, besonders dann, wenn mehrere Produkte gleichzeitig im Sprint liegen. „Das Ziel verschwimmt. Dann müssen wir über Prioritäten reden – und über das, was wir auch mal nicht machen.“ Und dann, wenn es um ihre eigene Wirksamkeit geht: „Ich gehe oft nach Hause und frage mich: Was habe ich heute eigentlich gemacht?“, sagt sie. Diese Art der Wirkung – leise, indirekt, oft nicht sichtbar – sei etwas, das sie lernen musste auszuhalten.

„Man kann, soll, darf, muss viel Verantwortung übernehmen – ohne klassische Hierarchien“

Verantwortung zu übernehmen – für sich, für das Team, für den Prozess – zieht sich durch viele Rollenbilder unserer Scrum Master. Marvin Sturm geht noch einen Schritt weiter. Er arbeitet für Lexware Office, ein Bereich unserer Marke Lexware, und ist zumindest laut seines Titels Scrum Master. „Was ich wirklich tue, steht in keiner Stellenanzeige.“ Sein Berufseinstieg gelang ihm über seine Bachelorarbeit und ein anschließendes Praktikum. „Am Anfang habe ich noch sehr nach dem Lehrbuch gedacht. Aber irgendwann habe ich verstanden, dass es ums Lernen und Adaptieren geht. Was passt im eigenen Kontext, mit den Möglichkeiten, Skills und Menschen, die in meinem Team zusammenkommen?“

Scrum sei für ihn nur ein Vehikel, um Arbeitsweisen immer wieder neu zu gestalten: „Schlussendlich sind es nur ein paar Seiten Papier. Mit Leben füllen muss man sie selbst. Ich habe seit acht Jahren den Titel Scrum Master, aber mein Beitrag verändert sich ständig.“ Seitdem sei er immer wieder in neue Rollen eingetaucht und habe diese nach einer gewissen Zeit wieder abgegeben. „Das ist vielleicht nicht das klassische Karriereleiter Hinaufklettern. Aber es ist eine Weiterentwicklung des Beitrags, den man leistet und der Domäne, die man überblickt.“

Marvin hat seit acht Jahren den gleichen Titel, aber seine Rolle hat sich immer wieder verändert und weiterentwickelt.

Heute fasst er seine Arbeit so zusammen: Dann, wenn es uns schwerfällt, in Bewegung kommen, der Gruppe das Gefühl von das läuft ja wie von selbst vermitteln. „Das Wort agil fällt bei uns witzigerweise nie“, erklärt Marvin. „Für uns ist diese Art der Arbeit ganz selbstverständlich, weil wir nie eine Transformation durchgemacht haben, wir haben einfach seit Gründung von Lexware Office, damals lexoffice, so gearbeitet.“ Entscheidungen würden dort getroffen, wo sie hingehören. „Beim Produkt vertraut das Team dem Product Owner. Bei Prozessen mir. Und bei Technik dem Entwicklungsteam. Einwände, also Vorschläge zur Verbesserung, kann jede:r vorbringen und diese werden dann integriert.“ Dieses Prinzip der Konsent-Entscheidung ermögliche echte Verantwortung, ohne Hierarchie.

Was Marvin jemandem sagen würde, der oder die als Scrum Master bei Lexware Office starten will? „Herzlich willkommen“, sagt er erst einmal lachend. „Freue dich auf eine spannende Lernreise. Es ist herausfordernd. Wenn man Verantwortung dezentral lösen will, macht es das nicht unbedingt leichter. Man kann, soll, darf, muss viel Verantwortung übernehmen. Für unser Team suchen wir Menschen, die soziale und Prozesskompetenz haben, die kleine und große Gruppen leiten und Konflikte moderieren können, die eine Vision von erfolgreichen Teams haben und dafür notwendige Entscheidungsräume öffnen. Für manche kann das überfordernd sein. Aber wer genau das sucht, kann hier aufblühen.“

„Ich bin dafür da, dass mein Team gut arbeiten kann“

Wie Marvin stellt sich auch Christoph Schmidt-Frommholz immer wieder die Frage: Wo kann ich gerade am meisten bewirken – und wo ist weniger mehr? Er ist Scrum Master bei unserer Marke Haufe und sein Alltag besteht zu 80 Prozent aus überlappenden Terminen. „Ich muss immer schauen, wo ich am meisten beitragen kann.“ Mal ist es ein Workshop, mal ein kurzes Gespräch auf dem Flur, mal die bewusste Entscheidung, sich rauszunehmen. „Ich bin dafür da, dass mein Team das Gefühl hat, gut arbeiten zu können. Denn dann ist es auch produktiv. Und dafür ist Scrum ideal.“

Christoph arbeitet in einem zehnköpfigen Team, das für das Content Management-System zuständig ist, mit dem die Haufe-Fachredaktionen arbeiten. Er erlebte die Einführung von Scrum als Business Analyst bei seinem vorherigen Arbeitgeber, wechselte selbst in die Rolle, aber hatte schnell das Gefühl, nicht wachsen zu können. So kam er vor fünf Jahren zur Haufe Group. „Für mich ist am wichtigsten, dass wir transparent machen, wer gerade in welcher Rolle was tut und die agilen Prinzipien als Leitstern nutzen, um zu schauen: Wo sind wir? Was wollen wir? Wo können wir besser werden, mit Blick auf unsere Kund:innen und mit Blick auf uns?“

Als Scrum Master hat Christoph gelernt, sich auch einmal zurückzunehmen und seinem Team Raum zu geben.

Um diese Fragen zu beantworten, musste er ein Gespür dafür entwickeln, was sein muss und was nicht. „Wir haben zum Beispiel irgendwann mal die Retrospektive ausgesetzt, weil die Luft raus war. Stattdessen habe ich jede:n im 1:1-Gespräch nach drei Wünschen ans Team gefragt. Da kamen viel spannendere Impulse heraus, die wir dann in der nächsten Retrospektive gemeinsam aufgegriffen haben.“ Und manchmal lasse er die Dinge auch einfach so, wie sie sind. „Ich habe ein Team, das gerade einen Status erreicht hat, bei dem es in einem guten Flow ist – die Prozesse und Abstimmungen sind gut eingespielt. Da kommt dann die Frage auf: Müssen wir uns ständig weiterentwickeln und optimieren? Das kann dauerhaft auch einen ganz schönen Druck erzeugen und lähmen. Dann muss ich lernen, etwas Abstand zu nehmen und meine eigenen Wünsche zurückzunehmen, weil ich sonst Gefahr laufe, mehr kaputt zu machen als zu fördern.“

Neue Ansätze, um Festgefahrenes wieder in Bewegung zu bringen, suche und finde er in Austauschformaten bei Haufe, in denen Anwender:innen verschiedener agiler Methoden zusammenkommen. Auch in der Community of Practice auf Haufe Group-Ebene ist er sehr aktiv. Alle vier Wochen findet ein Treffen statt, zu dem alle Scrum Master, Agile Coaches, OKR-Master und Interessierte unserer Unternehmensgruppe eingeladen sind, um Schwerpunktthemen zu besprechen sowie Methoden und Erfahrungen auszutauschen. „Unsere Ansätze sind so vielfältig, dass wir untereinander sehr viel lernen können.“

„Wenn alles richtig läuft, sich aber nichts bewegt – das ist Zombie Scrum“

Ob für Weiterbildungsplattformen, Buchhaltungssoftware oder Fachcontent – in der Haufe Group haben Scrum und agile Produktentwicklung viele Gesichter, abhängig vom Team, vom Produkt, vom Reifegrad. Genau diese Vielfalt ist es, die die Scrum-Kultur der Haufe Group ausmacht, findet Ralf. „Die meisten Scrum Master müssen andere Unternehmen besuchen, um neue Ansätze kennenzulernen. Wir können einfach auf die nächste Etage gehen und feststellen: Alles ist anders.“ Das sei auch eine Herausforderung, denn die Anforderungsprofile an Scrum Master seien sehr unterschiedlich. „Aber ich sehe vor allem jede Menge Möglichkeiten.“

Als Agile Coach auf Haufe Group-Ebene sorge er dafür, genau diese Vielfalt zum Leben zu bringen, indem er nicht nur externe Impulse wie das Agile Coach Camp in die Community bringt, sondern vor allem immer wieder Menschen bereichsübergreifend miteinander vernetzt. Aber zu seinem Job gehöre auch, genau hinzusehen, wenn es schiefläuft. Ralf selbst spricht von Zombie Scrum: „Wenn alles formal richtig läuft, aber Scrum nur noch Checklisten und Meetings ohne Inhalt ist. Dann laden mich die Teams ein und ich unterstütze gerne.“

Hat Scrum irgendwann ausgedient? „Ich höre gerade oft: Agile is dead“, sagt Ralf auf diese Frage. „Nein, ist es nicht. Das Blabla-Agile ist vielleicht tot. Aber das echte Arbeiten in komplexen Systemen, das brauchen wir mehr denn je“, findet er. Vielleicht sei das das eigentliche Zeichen von Reife: Wenn man aufhört, ständig über Scrum zu reden und stattdessen einfach miteinander arbeitet. Insofern sei es ein gutes Zeichen, dass die Haufe Group nach wie vor regelmäßig Scrum Master-Stellen ausschreibe. „Wir suchen Menschen, die es genauso ernst meinen wie wir.“

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